Prof. Dr. Karol Sauerland
Eine Denunziation und deren Folgen: Freiheitsberaubung
Vom 9. bis 11. Dezember nahm ich an einer Konferenz teil, die dem Werk und dem Wirken des deutschen Schriftstellers Horst Bienek gewidmet war. Hier das Programm und die Teilnehmerliste:
PROGRAMM
TEILNEHMERLISTE
Am Abend des ersten Tags wurde Horst Bieneks Autorenfilm „Die Zelle“ gezeigt. Die Handlung spielt in einem Gefängnis. Wir erleben einerseits den Alltag der Gefangenen und andererseits ihren Protest gegen unmenschliche Behandlung. Danach trafen wir uns zu einer Diskussion im Kaminraum. Bienek forderte mich auf, mich neben ihn zu setzen. An der Diskussion beteiligten sich ehemalige Häftlinge aus dem berüchtigten DDR-Gefängnis Bautzen. Sie meinten, Bienek behandle das Thema zu sanft und dass die Gefängnisleitung in Bautzen auf ein solcher Protest nicht so wie im Film reagiert hätte. Zuvor hatte ich Bienek erzählt, dass die in Łódź eingesperrten Solidarnosc-Aktivisten dagegen protestierten, als Kriminelle und nicht als politische Gefangene behandelt zu werden. An einer Stelle bat er mich, das Gesagte hier in der Diskussion zu wiederholen. Ich tat es widerwillig, weil ich befürchtete, dass ich die Folgen zu tragen habe. Leider bewahrheiteten sich meine Befürchtungen. Als ich im Februar 1984 meine Mutter in Ostberlin besuchen wollte, wurde mir am Flughafen Okęcie mein Reisepass abgenommen. Wie ich in den Nullerjahren von der polnischen Gauckbehörde erfahren habe, berichtete ein IM am 25. Januar 1984 über mich, ich wäre gegen die Sowjetunion, die DDR und das gegenwärtige Polen feindlich eingestellt.
DENUNZIATION
Die Sache wurde an den Innenminister, General Czesław Kiszczak, weitergeleitet. Der ordnete an, mir keine Auslandsreisen zu gestatten.
KRYPTOGRAMM 1 i 2
KISZCZAKS ANORDNUNG
ANORDNUNG 1 i 2
Am 28.3.1984 wurde ich in der Polizeizentrale im Pałac Mostowski verhört.
VERHÖR 1 i 2
Danach schrieb ich folgende Erklärung nieder
ERKLÄRUNG
Gleichzeitig wurde auch meine damalige Doktorandin, Bożena Chołuj, von einer militärischen Geheimdienststelle befragt, was sie zu meiner Person zu sagen hätte. Durch den Beruf ihres Vaters, der Pilot einer militärischen Einheit war, war diese Stelle für sie zuständig.
BOŻENA CHOŁUJ
Die Folge all dessen war, dass ich weder meine Mutter in der DDR besuchen noch an zahlreichen Tagungen und Kongressen im Ausland teilnehmen durfte (es handelte sich um 28 Einladungen).
Die Ergebnisse der Konferenz wurden ohne den Vortrag von Prof. Dr. hab. Hubert Orłowski veröffentlicht, obwohl ihr Veranstalter Karl Ehmert ein Jahr in der Hoffnung wartete, dass er ihn schließlich erhalten werde.
RESÜMEE
Ich bin Autor eines Buches über die Denunziation in Geschichte und Gegenwart. In meinen Recherchen habe ich keinen solchen Fall gefunden, bei dem eine Denunziation durch einen IM zu einer sofortigen – ohne weitere Prüfung des Falles – Anordnung des Innenministers führte, der denunzierten Person nicht zu gestatten, irgendwohin ins Ausland zu reisen, nicht nur nicht ins westliche, sondern auch nicht ins befreundete östliche. Es war ein IM, der sich bis heute rühmen kann, das Vertrauen höchster Instanzen genossen zu haben.
FOTOGRAFIEN VON DEM TREFFEN IN LOCCUM
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Revision: 1.2.5 (Petöfi). Updated: 30.01.2025.